Samstag, Juli 27, 2024
Offseason

Jay Cutler Story

Wer ist eigentlich…Jay Cutler?

Umstritten bei den eigenen Fans, ungeliebt bei Anhängern anderer Vereine und sogar bei einigen Spielerkollegen. Warum mag kaum jemand Jay Cutler, den Quarterback der Chicago Bears?

Mal vorab – ich kann ihn auch nicht leiden.

Als ich mir jedoch selbst die Frage stellte, woran das liegt, fielen mir auf die Schnell nur wenig Gründe ein. Ein guter Anlass, um meiner Cutler – Antipathie auf den Grund zu gehen.

Cutler ist Baujahr 73, in Sterling / Massachusetts geboren, und vierfacher Mr Olympia Gewinner 2006, 2007, 2009 und 2010. Moment…falscher Jay Cutler. Hätte ich jetzt auch nicht gedacht, dass der Name gar nicht so selten ist.

„Unser“ Jay Cutler ist 10 Jahre jünger und in Santa Claus / Indiana geboren. Bei dem Geburtsort muss er doch eigentlich ein Sympathieträger sein. Sollte man jedenfalls meinen.

Immer wieder hatte ich gelesen, dass Cutler ja alles zuflog und er mit dem sprichwörtlichen Silberlöffel im Mund aufgewachsen war – ein gern genommenes Vorurteil, wenn man nicht zu dem überproportional hohen NFL-Spieleranteil mit schwarzer Hautfarbe gehört. Dazu passte, dass er im College an der Uni Vanderbilt gespielt hatte, die sonst hauptsächlich Anwälte und Ärzte hervorbringt und sportlich maximal die zweite Geige spielt.

Allerdings war sein Vater Polizeibeamter und startete dann noch eine Baufirma für Straßenbeläge, in der Sohn Jay mithelfen musste. Der Hintergrund passt also nicht zum vermeintlich verwöhnten und verzogenen Kind.

Cutler war in der Highschool nicht nur ein talentierter Footballer, sondern auch überdurchschnittlich begabt im Basketball und Baseball. Als aber die Uni Illinois ihr Angebot eines sogenannten Football Scholarships (die Studiumskosten werden übernommen) zurückzog, blieb nur ein kurzfristiges Scholarship Angebot von Vanderbilt übrig, bei dem er sich noch am selben Tag überlegen musste, ob er es annahm.

Und als guter Sohn, der seine Eltern nicht mit einem sechsstelligen Betrag an Studienkosten belasten will, ging Cutler daraufhin eben nach Nashville an das College Vanderbilt.

Cutler im Jersey seiner Chicago Bears – deren Fan er schon in seiner Kindheit war.

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Dort sorgte seine Mannschaft nicht gerade für Furore – das war mit dem vorhandenen Spielermaterial auch nicht möglich – aber es reichte, um den Scouts positiv aufzufallen.

Legendär ist der Spruch vom ehemaligen Denver Broncos Spieler John Lynch, der nach einer knappen Niederlage Vanderbilts gegen die deutlich favorisierten Florida Gators meinte: „Wenn jemand angehende Ärzte und Anwälte so gegen die Gators im Spiel halten kann, dann muss er ein absoluter Star sein.“

Cutler verließ die Uni 2005 mit einigen Rekorden und einem Abschluss in Personalorganisation und Personalführung (das ist jetzt frei übersetzt von human and organizational development). So als Personalführer kann ich ihn mir eigentlich nicht vorstellen, aber als Quarterback ist er das ja an sich auch.

Viel wichtiger war, dass etliche NFL-Talentspäher auf ihn aufmerksam wurden und in den Wochen vor dem Draft 2006 war spekuliert worden, ob er eventuell einen der beiden hoch gehandelten Quarterbacks des Jahrgangs, Vince Young und Matt Leinart, würde überflügeln können.

Und ein kurzes Zwischenfazit: bisher gibts für mich noch keinen Grund, warum ich Cutler nicht leiden kann. Eher im Gegenteil, wenn man seine Historie betrachtet.

Die beiden genannten Quarterbacks wurden dann an Nr 3 (Vince Young von den Tennessee Titans) und 10 (Matt Leinart von den Arizona Cardinals) gezogen. Und direkt dahinter Jay Cutler an 11 von den Denver Broncos.

Mittlerweile ist mehr oder weniger nur noch Cutler aus dem Trio übrig: Vince Young hatte wenige spektakuläre Spiele für die Titans und viele unterdurchschnittliche. Nach fünf Jahren war das Kapitel Tennessee für ihn erledigt und er kam als Backup zu den Eagles.

Von dort blieb nur in Erinnerung, dass er die Eagles 2011 vor der Saison als Dream Team betitelte, vergleichbar mit dem 92er Basketballteam der USA. Die Mannschaft schaffte mit Ach und Krach eine ausgeglichene Saison mit 8-8 und qualifizierte sich nicht einmal für die Playoffs. Das Dream Team.

Young ist trotz mehrerer Versuche nicht einmal mehr als Ersatzmann dauerhaft verpflichtet worden.

Von Leinart ist nur im Gedächtnis hängen geblieben, dass er gleich mal mit den Cheerleadern der Cardinals in den Whirlpool stieg. Ansonsten auch eine Karriere, die den Titel kaum verdient.

Aber zurück zum Thema. Cutler wurde von den Denver Broncos verpflichtet, die eigentlich erst an 15 gezogen hätten, aber mit den Rams einen Trade aushandelten, um Cutler an 11 zu bekommen.

Er wurde mit einem 6-Jahresvertrag über 48 Millionen ausgestattet und sollte wohl Jake Plummer beerben, der in der Vorsaison nicht überzeugt hatte.

Coach Mike Shanahan ernannte ihn dann im November 2006 zum QB1, was auch zu einigem Erfolg reichte. Im Folgejahr schaffte Cutler es sogar zum Pro-Bowl, dem All-Star-Spiel der NFL in Hawaii, eingeladen zu werden, obwohl die Broncos nur eine Bilanz von 7 – 9 erreichten und die Playoffs verfehlten.

Im Mai diesen Jahres wurde bei Cutler Diabetes Typ 1 festgestellt, der eine tägliche Insulinspritze nötig macht, was er aber im Griff zu haben scheint.

Im Folgejahr wurden erneut die Playoffs verfehlt und daraufhin Coach Shanahan entlassen. Sein Nachfolger wurde der zuvor für die Offense in New England zuständige Josh McDaniels.

McDaniels schien nicht der größte Fan von Cutler gewesen zu sein und wollte lieber von den Patriots Matt Cassel mitbringen, der erfolgreich Tom Brady während dessen Knieverletzung vertreten hatte.

Cutler war hierüber verständlicherweise nicht begeistert und bot in der Folge sein Haus in Denver zum Verkauf an und forderte die Broncos auf, ihn zu traden.

Es ist doch mehr als selten, dass ein überdurchschnittlich begabter Quarterback den Verein wechselt und noch seltener, dass er das vorher so vehement fordert. Ihn hat das mit Sicherheit einige Sympathien gekostet, aber letztendlich wurde seinem Wunsch entsprochen:

Nach drei Tagen Verhandlungen wurde Cutler mehr oder weniger gegen QB Kyle Orton und zwei Erstrundendraftrechte der Bears eingetauscht.

Die Hassliebe der Bears-Anhänger zu ihrem Quarterback begann: Cutler scheut das Risiko nicht, was des Öfteren zu Interceptions führt. Im ersten Jahr in Chicago führte er hier sogar die Liga an. Negatives Highlight war das Spiel in San Francisco im November 2009, als ihm kein einziger Touchdown, aber dafür fünf Interceptions gelangen.

Die emotionale Achterbahnfahrt ging für Cutler im Jahr 2010 weiter: zwar konnten sich die Bears für die Playoffs qualifizieren und dank einer sehr guten Leistung von ihm sogar das Halbfinale erreichen (zwei erworfene und zwei erlaufene Touchdowns – der erste Spieler seit 1954, der dieses Kunststück schaffte), aber das verlief für ihn katastrophal.

Gegner waren die NFC Nord Rivalen aus Green Bay und Cutler gelang es zunächst nur, 6 von 14 Pässen an den Mann zu bringen. Dazu kam eine Interception und kein Touchdown. Nach der ersten Angriffsserie im dritten Viertel stand Cutler plötzlich nur an der Außenlinie, als seine Offense zurück ins Spiel lief. Auch den Rest des Spiels stand er am Seitenrand, ohne dass sich irgendwelches medizinisches Personal um ihn kümmerte oder er irgendwelche Emotionen bei der folgenden Niederlage zeigte.

Eine Erklärung zur Auswechslung wurde weder vom Verein noch von den Kommentatoren während des Spiels geliefert. Dies führte zu Spekulationen und sogar Angriffen anderer Spieler in sozialen Netzwerken (Twitter war hier ganz vorne), die Cutler unterstellten mehr oder weniger keine Lust mehr zu haben und ein Weichei zu sein (für sensible mal weglesen: der für mich lustigste Grund der Verletzungpause war „sand in his vagina“). Die Attacken kamen in ungekannter Schärfe und zeigten, dass Cutler auch bei den Spielern anderer Vereine keinen guten Stand hatte.

Aber warum eigentlich?

Cutler eilte zeit seiner Karriere der Ruf voraus, etwas seltsam zu sein, ein Einzelgänger und wortkarg. Dieses ablehnende Verhalten brachte ihm Kritik von den Medien ein, die naturgemäß auf Informationen angewiesen sind.

Dazu kommt seine Körpersprache, die immer abweisend und mit einer negativen Ausstrahlung verbunden ist.

Dass aber auch andere Spieler ihn nicht leiden können, war bis dahin eher unbekannt.

Im Nachgang wurde übrigens bekannt, dass er sich eine Kreuzbandzerrung zugezogen hatte. Etliche Spieler verurteilten jetzt die vorherigen Angriffe auf Cutler und die Wortführer der Attacken – allen voran Maurice Jones-Drew von den Jacksonville Jaguars – entschuldigten sich im Fortgang.

Mittlerweile hat Cutler den fünften Offensive Coordinator in sieben Jahren. Und Genie und Wahnsinn wechseln sich in seinem Spiel auch immer noch ab.

Cutler startete 82 Spiele für die Bears bislang – und warf 93 Interceptions. Viel zu viele – auch wenn er dafür 129 Touchdowns erzielt hat.

Es könnte jetzt die letzte Saison für Cutler in Chicago werden – sein Vertrag erlaubt einen Ausstieg des Vereins nach dieser Spielzeit. Viel wird davon abhängen, wie er dieses Jahr bestreitet – und das steht nach dem Abgang von Nr 1 Receiver Brandon Marshall unter keinen besonders guten Vorzeichen. Dazu eine poröse Defense – die Zeichen stehen auf Abschied.

Cutler ist noch da – und spielte unter OC Adam Gase, der mittlerweile Head Coach der Miami Dolphins ist, eine sehr brauchbare Saison. Und was fast noch wichtiger ist: das Ganze ging relativ geräuschlos ab.

21 Touchdowns standen nur 11 Interceptions gegenüber (im Vorjahr noch 18 bei allerdings auch 28 TD), was vor allem dank der Verletzungen von WR Kevin White (komplette Saison verpasst) als auch Alshon Jeffery (7 Spiele) absolut in Ordnung ging.

Dass Cutler auch mal witzig sein kann, beweisen folgende zwei Episoden:

Wahrscheinlich ungewollt lustig war Cutler, als er sich Anfang August in einem Interview mit ESPN darüber beschwerte, dass sich die jungen Spieler nur noch mit ihren Handys beschäftigen würden. Wenn man sich dann Cutler dazu vorstellt, der jahrelang einsilbig in seiner Ecke der Umkleide saß und Mitspieler ignorierte, dann kann man sich ein Schmunzeln kaum verkneifen.

Gewollt witzig war Cutler jedenfalls zusammen mit seiner Frau Kristin Cavallari, einem TV-Sternchen, in einer Episoder der amerikanischen Sitcom „The League“. Wer die Gelegenheit hat, sich die Folge (Saison 5 Episode 3) der Serie über eine Gruppe von Kumpels mit einer Fantasy Football Liga anzuschauen, sollte dies unbedingt wahrnehmen. Der Auftritt des Ehepaars Cutler war jedenfalls sehr gelungen.

Was bleibt zum Schluss?

Wirklich gern hab ich Cutler immer noch nicht. Aber zum einen spielt er für eins der wenigen Teams, dem ich sowieso nichts abgewinnen kann, und zum anderen ist nicht zu erwarten, dass die Bears in dieser Saison irgend etwas reissen.

So gesehen kann man das entspannt aus der Ferne beobachten und das Spannendste ist zu spekulieren, wo Cutler in der nächsten Saison spielen wird. Meine Antiphatie hat sich durch die Recherchen jedenfalls etwas gelegt – wenn man die ganzen (Vor-)Urteile mal fallen lässt, dann ist er wohl gar nicht so verkehrt. Und befreundet müssen wir ja nicht sein…

Update 04.04.2017: Die unvermeidliche Entlassung folgte…und eine Hängepartie, wo Cutler wohl unterschreiben wird. Prognosen gabs nicht allzu viele. Heißester Kandidat sind wohl die J-E-T-S…und deren Interesse ist auch nur lauwarm.